Am 18. und 19. Juli wird das Bundesverfassungsgericht darüber verhandeln, ob in Berlin nicht nur wie geschehen die Wahl zum Abgeordnetenhaus, sondern auch zum Bundestag zu wiederholen ist. Die Ampel versucht das, mit fiesen Tricks zu hintertreiben – allerdings vergeblich. Von Ulrich Vosgerau
Spektakuläre Nachrichten aus Karlsruhe im Vorfeld der mündlichen Verhandlung über die mögliche Wiederholung der Bundestagswahl in Berlin, die nach dem Willen des Deutschen Bundestages ja nur in 431 von 2.256 Berliner Wahllokalen wiederholt werden soll, obwohl der Verfassungsgerichtshof von Berlin die komplette Wiederholung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zu den Bezirksverordnetenversammlungen angeordnet hatte:
Mit Beschluss bereits vom 5. Juli 2023 – der jedoch erst gestern veröffentlicht wurde – hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts den Beitritt des Deutschen Bundestages zum Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag gegen die Bundestagswahlen im Bundesland Berlin – das am 18./19. Juli stellvertretend auch für alle anderen Wahlprüfungsbeschwerden, auch das der beiden TE-Leser, mündlich verhandelt werden soll – für unzulässig erklärt. Diese nun anberaumte Verhandlung und den Umstand, dass von etlichen Wahlprüfungsbeschwerden nur die der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zur mündlichen Verhandlung ausgewählt worden ist, obwohl unsere – wie auch noch andere – nicht weniger geeignet gewesen wäre, ordne ich in einem eigenen Beitrag auf TE näher ein, der im Anschluss erscheint.
Ein „Beitritt“ zu einem Wahlprüfungsbeschwerdeverfahren ist aus prozessualen Gründen gar nicht möglich. Könnte man fremden Wahlprüfungsbeschwerden beitreten, dann wäre ich namens unserer beiden Leser natürlich sofort der Wahlprüfungsbeschwerde der CDU/CSU-Bundestagsfraktion „beigetreten“, um uns in die mündliche Verhandlung zu bringen – das geht aber rechtlich ganz eindeutig nicht, deswegen haben wir es auch gar nicht versucht und eine eigene Klage eingereicht. Der Deutsche Bundestag – und das heißt hier in der Sache: Die ampelfarbene Bundestagsmehrheit, nicht etwa die Opposition – wollen genau das aber schon, freilich ohne Aussicht auf Erfolg. Dies war der Öffentlichkeit bis gestern nicht bekannt. Es zeigt die Angst der Ampel vor der Wahlwiederholung, die vermutlich der Ampel wertvolle Sitze im Bundestag kosten könnte – oder sogar die komplette Fraktion der LINKEN auflösen würde.
Bei ihrem Beitrittsversuch verfolgte die Bundestagsmehrheit vor allem auch das Ziel, den Berichterstatter des Verfahrens, nämlich den demnächst ausscheidenden Verfassungsrichter Peter Müller, durch einen Befangenheitsantrag aus dem Verfahren zu schießen. Müller hatte sich in einem Interview mit „FAZ Einspruch“ zum Berliner Wahlgeschehen geäußert. Unter anderem sagte er dort, eine Situation wie in Berlin „hätte man sich vor einigen Jahrzehnten in einem diktatorischen Entwicklungsland vorstellen können, aber nicht mitten in Europa, mitten in Deutschland“. Dieser Befangenheitsantrag ist nun aber – aufgrund der Unzulässigkeit des Beitrittes überhaupt – gegenstandslos.
Der Beitritt des Bundestages zum Verfahren der CDU/CSU-Bundestagsfraktion war ausgeschlossen, weil es sich bei der Wahlprüfungsbeschwerde (ähnlich wie bei der Verfassungsbeschwerde oder der abstrakten Normenkontrolle) um ein objektives Verfahren handelt, das heißt, es gibt keinen „Beklagten“ oder Antragsgegner, sondern das BVerfG prüft auf Antrag bestimmter antragsberechtigter Parteien eben die Rechtslage. In diesem Fall war insofern die Rechtslage sogar noch klarer als seinerzeit bei der ebenfalls aussichtslosen Verfassungsbeschwerde von Abgeordnetenhaus-Abgeordneten gegen die Entscheidung des Berliner Verfassungsgerichtshofs, die Abgeordnetenhauswahlen komplett zu wiederholen.
Dennoch ist das Vorgehen der Ampelmehrheit ein spektakulärer Vorgang. Denn der Bundestag hat offensichtlich versucht, das objektive Verfahren in ein „kontradiktorisches“ Verfahren zu verwandeln, also „CDU/CSU-Fraktion gegen Bundestagsmehrheit“. Der Bundestag wollte gewissermaßen vor dem BVerfG „gleichberechtigt“ mit den Antragstellern das vom Bundestag gefundene Ergebnis (also: Neuwahl nur in 431 Wahllokalen) verteidigen und dessen Korrektur möglichst verhindern.
Dass man dies trotz mangelnder Erfolgsaussichten jedenfalls versucht hat, zeigt, wie ungeheuer groß die Nervosität der Bundestagsmehrheit über das Verfahren selbst und seine möglichen Folgen ist. Dies kommt ja auch in dem Versuch zum Ausdruck, den Berichterstatter Peter Müller – dessen öffentliche Äußerungen im Vorfeld allerdings mehr als leichtsinnig gewesen sein dürften – aus dem Verfahren zu entfernen.
Der Vorgang zeigt, wie entscheidend das Vorgehen von TE ist, für eine ordnungsgemäße Wahl zu sorgen, indem die Fehler gnadenlos aufgedeckt werden. Wir danken unseren Lesern, die diese extrem aufwendige Recherche mit ihren Beiträgen erst ermöglicht haben.
IMAGO / photothek
Wie die Ampel versucht, die Berliner Wahlwiederholung zu hintertreiben
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