Destatis hat diese Woche die jährliche Aktualisierung des Bevölkerungsstandes vorgenommen, wodurch eine präzisere Auswertung möglich wird. Im Vergleich zu den auf fortgeschriebenen Bevölkerungszahlen basierenden, bisherigen Ergebnissen ergeben sich nur geringe Unterschiede. In mancherlei Hinsicht hat das Jahr 2022 Negativrekorde aufgestellt.

Zur Bestimmung der Übersterblichkeit existiert keine allgemeingültige Methode. Die hier verwendete rechnet auf Wochenbasis der “Destatis-Sonderauswertung-Sterbefälle” separat in 14 Alterskohorten. Aus dem Vergleichszeitraum 2016-2020 wurden für jede Kohorte Trend und Saisonalität der Sterberisiken in einem linearen Zeitreihenmodell (TSLM) bestimmt und daraus eine Vorhersage (“Forecast”) der zukünftigen Kohortensterberisiken generiert. Die zu jedem Jahresende bekannten Änderungen der Kohortenpopulationen wurden linear über die 52 Wochen eines jeden Jahres verteilt, sodass für jede Woche eine Schätzung des Bevölkerungsbildes vorliegt.

Einen Erwartungswert der Sterbezahl für jede Woche und jede Kohorte erhält man durch Multiplikation von berechneter Bevölkerung und vorhergesagtem Sterberisiko. Die Vorteile dieser Vorgehensweise sind erstens die Berücksichtigung aller maßgeblichen Parameter und zweitens die Möglichkeit einer wochengenauen und altersspezifischen Beurteilung. Sämtliche Kennzahlen von Interesse, z. B. Mittleres Sterbealter, Lebenserwartung, Risikoverhältnisse, absolute und prozentuale Übersterblichkeit lassen sich daraus berechnen.

Nach den nunmehr endgültigen Bevölkerungszahlen verzeichnete 2022 in diesem Modell eine kumulative Übersterblichkeit von 70.800 (7,1%) nach 35.600 (3,6%) in 2021. Auf sehr ähnliche Ergebnisse (66.000 in 2022 und 34.000 in 2021 ) kamen jüngst Kuhbandner & Reitzner in einer methodisch aufwändigen Studie. Die Sterberisiken wurden darin, anders als oben beschrieben, aus den amtlichen Periodensterbetafeln gezogen. Auch die Risikotrendschätzung wurde anders realisiert und monatsweise separat nach Geschlechtern gerechnet. Kommt man auf verschiedenen Wegen zum fast gleichen Ergebnis, weist das auf eine hohe Validität hin.

Der Abb. 1 ist zu entnehmen, dass Übersterblichkeit hauptsächlich in der zweiten Jahreshälfte auftrat, was auch schon in 2020 und 2021 beobachtet wurde und eine Abweichung von saisonalen Normalverlauf darstellt. In den historischen Zeitreihen findet man die höchsten Sterbewellen zu Jahresanfang mit Schwerpunkt etwa um die 10. Kalenderwoche.

Abb. 1: Wöchentliche Gesamtsterbezahlen (orange) und Erwartungswerte seit 2021 (blau)

Auffällig sind zudem wiederholte Anstiege der Sterbezahlen in der 2. Jahreshälfte, die in einigen Medien fälschlicherweise zu Hitzewellen deklariert wurden. An den Vorjahren kann man erkennen, wie Hitzewellen sich typischerweise abzeichnen (als kurze, steile Anstiege). Die 2022er Wellen zeigen aber eine für Hitzewellen untypische Breite und ereigneten auch in Wochen mit gemäßigten Temperaturen. Auch verlief der Sommer 2022 nicht übermäßig heiß. Das bedeutet nicht, in diesen Signalmustern seien keine Temperatureinflüsse enthalten, aber wenn, dann erklären sie diese Muster nicht.

Ein robuster Parameter zur Beurteilung des Gesundheitszustands einer Gesamtpopulation ist die Lebenserwartung. Sie lässt sich aus den altersspezifischen Sterberisiken für jeden gewünschten Zeitraum ermitteln. Die Berechnung ist mathematisch anspruchsvoll, besonders wenn die Sterberisiken nur in Kohorten (und nicht in Altersjahrgängen) vorliegen. Übersterblichkeit als absolute oder prozentuale Zahl ist das Ergebnis einer “Observed versus expected”-Methode, und die Erwartungswerte setzen Daten aus der Vergangenheit und Annahmen über deren Weiterentwicklung voraus. Bei der Lebenserwartung ist das anders. Weil sie ohne Informationen aus der Vergangenheit auskommt, ist sie in diesem Sinne eine unanfechtbare Größe und ein Prüfstein, an dem sich jede Sterblichkeitsbeurteilung messen lassen muss. Freilich werden zur Beurteilung der Entwicklung Vergleiche von Lebenserwartungen unterschiedlicher Zeiträume angestellt.

Im zeitlichen Verlauf wird eine zu den Sterbezahlen spiegelbildliche Kurve sichtbar (Abb. 2.). In Phasen mit Übersterblichkeit sinkt die Lebenserwartung und umgekehrt.

Abb. 2: Verlauf der Lebenserwartung seit 2020 (orange) mit Forecast ab 2021 (blau) mit Streuband (eine Standardabweichung). Die Forecast wurde mit einem ARIMA-Modell (Auto Regressive Integrated Moving Average) aus der Referenzperiode 2016-2020 erzeugt.

Die Jahreswerte der Lebenserwartung stiegen über Jahrzehnte an, aber der Anstieg verlangsamte sich mit der Zeit (Abb. 3). Bis 2020 reihten sich die Werte perlschnurartig entlang der Trendlinie, wobei einzelnen Ausreißern stets eine Gegenbewegung im Jahr danach folgte.

Abb. 3: Langzeitverlauf der Lebenserwartung mit Trendlinie (blau) aus den Jahren 2000-2020 (blau).

Der bisherige Rekordwert der Bundesrepublik wurde in 2019 erreicht, und so war der leichte Rückgang in 2020 gemäß der oben festgestellten Regel fast unausweichlich. Ganz und gar aus dem Rahmen fallen aber die Abstürze in 2021 und 2022. Zwei Folgejahre unter Trend, und das zweite sogar noch tiefer als der erste, das ist als historische Anomalie einzustufen.

Die aktualisierten Bevölkerungszahlen belegen eine stärkere Zuwanderung als in den Vorjahren. Am stärksten fiel sie aus in der Kohorte 0-30 mit ca. 3% im Vergleich zu den mittels Fortschreibung des Bestandes von Ende 2021 ermittelten Zahlen. Sämtliche Alterskohorten verhielten sich in 2022 signifikant übersterblich, aber Personen in einem Alter unter ca. 35 Jahren wiesen in 2022 ein erkennbar höheres Risikoverhältnis als alle anderen Kohorten auf (Abb. 4).

Abb. 4: Risikoverhältnisse des Jahres 2022 im Vergleich zum Erwartungswert nach Alter mit 95%-Konfidenzintervallen.

Im Rückblick auf die drei Pandemiejahre 2020-2022 wird ein gravierender Widerspruch zum Corona-Narrativ der Politk und der Gesundheitsbehörden deutlich. Während 2020 in Bezug auf die Lebenserwartung exakt im Trend lag, bricht sie in 2021 stark ein und sackte in 2022 weiter ab. Dies ist unvereinbar mit der Ansicht, die nach WHO-Protokoll mittels PCR-Tests erhobenen C19-Sterbezahlen hätten irgendeine Relevanz für das Gesamtsterbegeschehen besessen.

Im Laufe dieser drei Jahre und der verschiedenen C19-Varianten hatte die Fallsterblichkeit nicht zu- sondern allenfalls abgenommen. Die Lebenserwartung hätte also 2020 und nicht erst später am stärksten sinken müssen. Zusammenfassend deuten die Zahlen auf eine massive Verschlechterung des allgemeinen Gesundheitszustands vor allem in 2022, nicht aber in 2020 hin. Dieser Allgemeinbefund wird flankiert von zahlreichen Auffälligkeiten in der Analyse zeitlicher und altersmäßiger Bezüge, was in den früheren Heatmap-Artikeln auf TKP und zusammengefasst hier bereits herausgearbeitet wurde.

In 2023 wirkte zunächst die Sterbewelle von Ende 2022 nach. In einer Gegenbewegung stieg die Lebenserwartung zu Jahresbeginn über die Erwartungswerte an. Darauf folgte ein Rückgang infolge einer Influenza-Welle. Seitdem schlängeln sich die Verläufe der Sterbezahlen und der Lebenserwartung entlang der Erwartungswerte. Die beschriebene Wellenbewegung ähnelt den Verläufen in 2020 und 2021.

In diesem Artikel möchte ich mich auf klare Ergebnisse beschränken. Welche Ursachen in Frage kommen, mögen Sie, liebe Leser, gern in die Kommentare schreiben oder sich im Stillen selbst überlegen.

von 

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