Es war einer meiner ersten Schock-Momente nach meiner Rückkehr nach 16 Jahren Moskau: Die noch recht neue Spülmaschine war kaputt. Der Techniker fragte mich, ob ich sie oft im „Energiesparprogramm“ laufen ließe. Natürlich, sagte ich fast schon stolz mit meiner damals noch recht großen Naivität, was die Realität in Deutschland angeht. „Tun Sie das nicht“, sagte der Techniker. Und er bemerkte wohl sofort meinen skeptischen Blick: „Da ist die Temperatur zu gering, das macht das Gerät auf Dauer kaputt“. Aber es werde doch überall empfohlen, hielt ich entgegen: „Ja, damit man sagen kann, das Gerät ist umweltfreundlich, und damit es die EU-Normen erfüllt. Aber in der Praxis geht es nicht, ohne hohe Temperaturen bilden sich zu viele Ablagerungen“, eröffnete mir der Mann wohlmeinend. Es war einer der vielen Realitäts-Momente, die mein Vertrauen in mein Land und vor allem seine Politik langsam, aber unerschütterlich ruinierten.

An die Geschichte musste ich denken, als ich heute von Lesern einen Link auf einen Artikel mit folgendem Vorspann zugeschickt bekam: „Wäschewaschen mit 30 Grad? Viele Deutsche stellen ihre Waschmaschine aus Vorsicht immer noch auf 60 Grad ein. Jetzt zeigt eine Untersuchung: Nicht nur sind 30 Grad völlig ausreichend – die positiven Folgen für das Klima sind auch noch beträchtlich.“ Ich bin kein Biologe und kein Techniker, aber die Jahrzehnte alte Erklärung, dass Bakterien mit 60 Grad abgetötet werden, und mit 30 Grad eben nicht, hat mich stets überzeugt. Wobei sie in meinen Augen sowohl für die Wäsche selbst als auch für die Maschine von Bedeutung ist.

In dem benannten Artikel schreibt „Focus Online“: „Die durchschnittliche Waschtemperatur in Deutschland ist binnen eines Jahres um 1,25 Grad Celsius gesunken – was zu einer Ersparnis von 100.000 Tonnen CO2 geführt hat. Das zeigt eine Zwischenbilanz der Nachhaltigkeitsinitiative #wirdrehenrunter der Umweltschutzorganisation WWF sowie des Konsumgüter-Konzerns Procter and Gamble (P&G). Die Bilanz liegt FOCUS online Earth vor.“

Ich musste lachen. Weil allein durch einen (doppelten) Flug von Vize-Kanzler Robert Habeck nach Indien – fast zeitgleich mit Arbeitsminister Hubertus Heil, der aber ein anderes Flugzeug nahm – rund 130 Tonnen CO₂ unnötig in die Atmosphäre ausgestoßen wurden. Und weil etwa in weiten Teilen von Russland in Wohnungen bis heute keine individuelle Regulierung der Heizung möglich ist, die Fernwärme oft auf höchster Stufe läuft – weswegen selbst bei eisigsten Temperaturen meist Fenster geöffnet sind, weil sich sonst viele Innenräume in Bio-Saunen verwandeln würden.

Aber wir deutsche Normalverbraucher sollen das Weltklima mit geringeren Waschtemperaturen retten.

„Moderne Waschmittel seien auch bei 20 oder 30 Grad in der Lage, zuverlässig Flecken zu entfernen und für einen angenehmen Geruch zu sorgen“, heißt es in dem Artikel.

Flecken und Gerüche vielleicht ja. Aber wie sieht es mit Keimen aus?

Kein Wort dazu in dem ganzen Beitrag. Obwohl es bei einem vernünftig denkenden Menschen wohl die erste Frage ist, die ihm in den Sinn kommt.

Nicht so bei Mainstream-Journalisten. Vielleicht wäscht da noch die Mama?

Aber Scherz beiseite: Das Ausmaß an Bevormundung und Umerziehung hat erschreckende Ausmaße angenommen. Ebenso erschreckend ist, wie dabei die Realität ausgeblendet wird. In diesem Fall die Gefahr einer Verkeimung der Waschmaschine und bakteriellen Belastung etwa von Bettwäsche.

Ich würde jedenfalls ungern in einem Hotel in Bettwäsche schlafen, die nur bei 30 Grad gewaschen wurde.

Aber Hauptsache, auf dem Papier sieht alles gut aus, die Initiatoren können sich als bessere Menschen fühlen und die Durchschnittsbürger wie kleine Kinder bevormunden.

Was kommt als Nächstes? Wasser-Rationierung und Zeitbegrenzung beim elektrischen Zähneputzen? Vorschläge, die Toilettenspülung seltener zu bedienen?

Die Richterskala der irrsinnigen Belehrung ist nach oben offen.

Bild: Shuttertock

https://reitschuster.de/post/neue-belehrung-nur-noch-mit-30-grad-waschen-fuers-klima/

 

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