Lauterbach bleibt in seiner Empfehlung derart pauschal und allgemein, dass man Sorge haben muss, ihm sei das Wort der Individualmedizin völlig fremd. Diese Medizin, auch bekannt als personalisierte Medizin, orientiert sich an den individuellen Umständen und Gegebenheiten eines jeden einzelnen. Lauterbachs Empfehlung ist so gefährlich, weil sie pauschal ist. Von Friedrich Pürner
Es ist beunruhigend mit Karl Lauterbach. Angeblich ist er Arzt. Ganz sicher ist er der Bundesgesundheitsminister. Dass sein ärztliches Wissen eher mangelhaft ist, das hat er bislang eindrucksvoll bewiesen. Nun setzt er seine Schritte im Tal der Ahnungslosen fort.
In einem neueren Tweet gibt er eine Trinkempfehlung ab. Nach Lauterbach sollen ältere Mitmenschen zwei bis drei Liter trinken. Dass er mit dieser Empfehlung möglicherweise einige Ältere vorzeitig ins Grab bringt, scheint Lauterbach entweder nicht zu wissen oder es ist ihm schlichtweg egal.
Weshalb Lauterbach derart Unsinniges und zudem Gefährliches von sich gibt, das wird wohl sein Geheimnis bleiben. Mit Sorge um die Älteren dürfte es nicht viel zu tun haben. Lauterbach bleibt in seiner Empfehlung derart pauschal und allgemein, dass man Sorge haben muss, ihm sei das Wort der Individualmedizin völlig fremd. Diese Medizin, auch bekannt als personalisierte Medizin, orientiert sich an den individuellen Umständen und Gegebenheiten eines jeden einzelnen Patienten.
Allgemeine Empfehlungen sind gut und wichtig. So ist die Empfehlung bestimmter Vorsorgeuntersuchungen eine wunderbare Sache. Darmkrebsvorsorge beispielsweise. Auch allgemeine Empfehlungen wie das Benutzen von Kondomen zur Verhinderung von sexuell übertragbaren Erkrankungen oder die Empfehlung, auf das Körpergewicht zu achten und es weder zu hoch noch zu niedrig werden zu lassen, sind positiv zu sehen. Auch, wenn fast jeder erwachsene Bürger um den Schutzwert eines Kondoms sowie um die Gefährlichkeit des Über- oder Untergewichtes wissen sollte, können Empfehlungen helfen, dies in Erinnerung zu rufen. Eigentlich weiß man in unserer Gesellschaft viel, es halten sich dennoch erstaunlich wenige daran.
Pauschale Empfehlungen ohne Mehrwert – aber gefährlich
Lauterbachs Empfehlung ist deshalb so gefährlich, weil sie pauschal an alle alten Menschen gerichtet ist. Unter den betagten Bürgern sind einige mit Erkrankungen. Dies übersieht Lauterbach völlig bei der pauschalen Trinkmengenempfehlung. Zudem fordert er in dem Tweet auf, auf die Älteren zu achten. Wer nun „pflichtbewusst“ auf die Aussage des Gesundheitsministers vertraut und bei den Älteren in seinem Umfeld auf die 2 – 3 Liter pocht, der läuft Gefahr dadurch gesundheitliche Schäden hervorrufen.
Man muss eben wissen, dass gerade viele Ältere – Lauterbach bleibt bei der Altersangabe sehr ungenau – an einer Herz- und/oder Niereninsuffizienz leiden. Mit anderen Worten, Herz und Nieren arbeiten nur noch eingeschränkt. Verabreicht man einem Menschen mit einer Herzinsuffizienz drei Liter Flüssigkeit, dann ist das Herz aufgrund dieser Schwäche nicht mehr dazu in der Lage, dass zugereichte Flüssigkeitsvolumen weiter zu transportieren. Die Folge wäre ein sogenanntes Lungenödem. Dadurch kann der Betroffene massive Atemnot erleiden und im schlimmsten Fall daran versterben. Insgesamt ist diese Trinkempfehlung völliger Nonsens, denn auch über die Nahrung wird Flüssigkeit aufgenommen. Das vergisst Lauterbach. Würde nun ein bereits Vorerkrankter zu den 2 – 3 Litern Flüssigkeit zusätzlich 0,5 – 1 Liter Flüssigkeit durch Nahrung aufnehmen, dann ist auch für den Laien eine fulminante „Überwässerung“ des Körpers nachvollziehbar.
Auch bei einer Nierenschwäche kann zu viel Flüssigkeit ungesund sein. Ein Grund dafür ist, dass Ältere oft an verschiedenen Erkrankungen leiden, die ihre Nierenfunktion beeinträchtigen können. Die Nieren sind für die Regulation des Flüssigkeitshaushalts im Körper verantwortlich. Wenn die Nieren nicht richtig funktionieren, kann eine übermäßige Flüssigkeitszufuhr zu einer Überlastung der Nieren und zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands führen.
Darüber hinaus führt eine übermäßige Flüssigkeitszufuhr in seltenen Fällen bei Älteren zu einer Verdünnung der Elektrolyte im Körper. Besonders dann, wenn noch andere Medikamente im Spiel sind. Elektrolyte wie Natrium, Kalium und Chlorid sind für eine Vielzahl von Körperfunktionen von entscheidender Bedeutung. Wenn diese Elektrolyte im Körper zu stark verdünnt werden, vermag dies zu einer Störung des Elektrolythaushalts führen. Dies wiederum kann zu Symptomen wie Müdigkeit, Verwirrtheit, Muskelschwäche und Herzrhythmusstörungen führen.
Neben diesen gesundheitlichen Risiken, die eine pauschale Trinkempfehlung birgt, muss auch die Mobilität Älterer Berücksichtigung finden. Viele von ihnen haben Schwierigkeiten, ihre Blase rechtzeitig zu entleeren. Werden diese Menschen nun mit Flüssigkeit „vollgepumpt“, ist eine soziale Teilhabe am Leben ohne Inkontinenzeinlage nicht mehr möglich. Diese Einlagen sind aber in vielen Fällen verantwortlich für den sozialen Rückzug Älterer – weil sie sich schämen.
Mindestens genauso einschneidend sind Druck und Zwang, der womöglich aufgrund einer Empfehlung durch den Bundesgesundheitsminister auf ältere Bürger ausgeübt wird. Natürlich werden es gerade die Familienangehörigen gut meinen. Sie werden sich mit Lauterbach im Recht und bestärkt fühlen, wenn sie den Alten die 2 -3 Liter eingeben möchten. Doch richtig ist das nicht. Der alte Mensch darf immer noch selbst entscheiden, wie viel er trinken kann und möchte. Aus Empfehlungen wird oft Druck abgeleitet. Das sollten wir in Corona-Zeiten gelernt haben.
Völlig klar, Flüssigkeit ist wichtig
Die Gabe von ausreichend Flüssigkeit ist für Menschen jeden Alters von entscheidender Bedeutung, um eine gute Gesundheit und ein optimales Funktionieren des Körpers zu gewährleisten. Insbesondere bei Älteren ist es wichtig, auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu achten, da sie aufgrund verschiedener Faktoren ein erhöhtes Risiko für Dehydration haben. Dabei ist es wichtig zu beachten, dass die individuellen Bedürfnisse jedes Älteren unterschiedlich sind.
Der Flüssigkeitsbedarf eines Menschen hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie zum Beispiel dem Geschlecht, dem Körpergewicht, der körperlichen Aktivität und den Umgebungsbedingungen. Einige ältere Bürger haben aufgrund bestimmter Erkrankungen oder Medikamente einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf, während andere möglicherweise eine begrenzte Flüssigkeitszufuhr benötigen. Daher ist es ratsam, mit einem Arzt oder einem Fachmann für Ernährung die persönliche Situation zu besprechen, um die individuellen Bedürfnisse zu ermitteln.
Es ist wichtig, die Flüssigkeitszufuhr Älterer sorgfältig zu überwachen und eine angemessene Balance zu finden. Ärzte, Pflegekräfte und auch geschulte Angehörige sind hier ausgebildet und wissen, was zu tun ist. Von Karl Lauterbach kann das jedenfalls nicht behauptet werden. Er spricht Empfehlungen aus, um im Gespräch zu bleiben und Anteilnahme zu demonstrieren. Fachliche Ahnung hat er nicht.
Lauterbach achtet nicht auf den Schutz der vulnerablen Personen
Durch den Tweet, der eine pauschale Trinkmenge von 2 – 3 Liter für ältere Bürger empfiehlt, entlarvt sich Lauterbach selbst. Seit drei Jahren tönt es aus seinem Ministerium, dass wir vulnerable Personengruppen zu schützen haben. Er selbst aber nimmt sich entweder hierfür keine Zeit oder ihm ist es egal, was er mit seinen Aussagen anrichtet. Wenn er es selbst nicht besser weiß, hätte er einen Arzt zu Rate ziehen können. Seine Empfehlung ist für gesunde Erwachsene bei Hitze aussprechbar. Nicht aber in dieser Pauschalität für alle älteren Mitmenschen.
Dr. med. Friedrich Pürner, MPH
Facharzt für Öffentliches Gesundheitswesen, Epidemiologe
Lebensgefährliche Empfehlungen des Bundesgesundheitsministers
IMAGO / Chris Emil Janßen
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