Von Kai Rebmann

Was gestern noch als Verschwörungstheorie galt, ist heute schon Realität. Diese nüchterne Feststellung muss derzeit leider immer öfter und in immer kürzeren Abständen getroffen werden. Kritiker, die geunkt hatten, die Corona-Maßnahmen könnten dereinst ihr Comeback feiern und im Gewande des Klimaschutzes daherkommen, bekamen von Politik und Medien den imaginären Aluhut verpasst. Doch – siehe da – jetzt soll es genau so kommen und die Protagonisten geben sich nicht einmal mehr sonderlich Mühe, das zu verbergen.

Am Mittwoch stellte Karl Lauterbach (SPD) im Beisein einiger handverlesener Experten auf der Bundespressekonferenz die Eckpunkte eines Aktionsplans zum „gesundheitlichen Hitzeschutz“ vor. Der Bundesgesundheitsminister stellte die Deutschen in diesem Rahmen auf nicht weniger als die Rückkehr von Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der persönlichen Freiheit sowie eine Bevormundung der Bevölkerung ein. Die Maßnahmen sollen greifen, sobald das Thermometer auf über 35 Grad steigt und eine Luftfeuchtigkeit von mehr 70 Prozent gemessen wird. Als Vorbild, so Lauterbach, könne dabei etwa Frankreich dienen.

Schreckgespenst ‚Klimaanpassungsgesetz‘

Was gestern noch das Infektionsschutzgesetz war, könnte morgen schon das sogenannte „Klimaanpassungsgesetz“ sein. Dieses befindet sich derzeit noch „in Arbeit“, soll nach den Vorstellungen von Dr. Martin Herrmann aber den Rahmen für künftige Hitze-Maßnahmen bilden. So forderte der Vorsitzende der Deutschen Allianz für Klimawandel und Gesundheit unter anderem:

„Wir fordern gemeinsam einen klaren gesetzlichen Rahmen für gesundheitlichen Hitzeschutz auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, in dem Hitzeschutz als Pflichtaufgabe verankert wird. Zuständigkeiten und Kompetenzen müssen geklärt werden. Das gilt auch für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen sowie für Betriebe, Kitas und Bildungseinrichtungen. […] In diesem gesetzlichen Rahmen sollten die Entwicklung und Umsetzung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit für Kommunen als Pflichtaufgabe gesetzlich verankert werden.“

Im Klartext: Zwischen diesen Zeilen verbirgt sich unter anderem die Möglichkeit, Kitas und Schulen zu schließen, Sportevents oder ähnliche Veranstaltungen im Freien zu verbieten bis hin zu Telefonanrufen bei älteren Menschen – man könnte auch sagen, den „vulnerablen Gruppen“ –, um diese darauf hinzuweisen, dass sie doch bitte genug trinken mögen. Ihnen kommt das alles bekannt vor, irgendetwas in Ihnen weigert sich aber, das zu glauben?

Dr. Herrmann hatte noch mehr zu sagen: „Bei der Entwicklung und Umsetzung von Hitzeaktionsplänen sollten Gesundheitsämter maßgeblich eingebunden sein und mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet werden. Damit soll der Hitzeschutz auch für den ÖGD (Öffentlicher Gesundheitsdienst) zur Pflichtaufgabe werden. Neben der Verankerung von Hitzeschutz in Gesundheitsgesetzen ist Hitzeschutz auch in anderen Sektoren zu berücksichtigen, zum Beispiel im Bau- und Arbeitsschutzgesetz.“

Gesundheitsministerien sollen ‚Hitze-Notstand‘ feststellen können

Geht es nach Karl Lauterbach, so sollen diese und gegebenenfalls weitere Maßnahmen rund um den „gesundheitlichen Hitzeschutz“ schon in diesem Jahr in Kraft treten können. Man müsse das Rad aber nicht neu erfinden, sondern sich lediglich an Ländern wie Frankreich orientieren, wo es ein ähnliches Konzept bereits seit rund 20 Jahren gebe, so der Gesundheitsminister. Dazu Lauterbach: „Wenn schönes Wetter herrscht, ist das hierzulande positiv besetzt, in Frankreich oder den USA werden dann die Warnstufen ausgerufen, das hat einen anderen Klang als bei uns.“

Aber wer legt fest, wann die Hitze-Maßnahmen greifen sollen? Richtig geraten, auch diese Kompetenz will Karl Lauterbach an sich reißen und lässt diesen Anspruch von Dr. Herrmann in eine Forderung des Expertengremiums verpacken. Der Vorsitzende der Allianz für Klimaschutz und Gesundheit drückt das so aus:

„Dafür braucht es Strukturen und klare Zuständigkeiten in den Gesundheitsministerien von Bund und Ländern, um den gesundheitlichen Hitze-Notstand gemeinsam mit den Katastrophenschützern feststellen zu können als Voraussetzung für die Auslösung des Katastrophenfalls. Dazu gehören auch vorbereitende Planspiele und Übungen. Das alles existiert bisher nicht in Deutschland.“

So weit, so bekannt: Vermeintlich unabhängige Experten werden vorgeschickt, um möglichst weitreichende und tiefgreifende Maßnahmen zu fordern – die wohl auch dieses Mal auf keinen Fall hinterfragt werden dürfen. Nur für den hypothetischen Fall, dass aber doch jemand auf die Idee kommen sollte, die Alternativlosigkeit dieser Hitzeaktionspläne infrage zu stellen, legt Dr. Herrmann nochmal nach:

„Das (kann) jederzeit sein, dass wir deutlich stärkere Hitzewellen haben, als wir jemals gesehen haben, mit deutlich höheren Opferzahlen, als wir bisher hatten. Und als letzten Punkt: Es braucht ein staatlich finanziertes und unabhängig agierendes Kompetenzzentrum für gesundheitlichen Hitzeschutz auf Bundesebene, das das Wissen aus Praxis und Wissenschaft sammelt, in der Umsetzung berät und Austausch zwischen den Akteuren und Akteurinnen fördert.“

Und auch hier wieder das bekannte Muster: Panikmache im Gewand eines Experten, der Verweis auf die – selbstverständlich – unabhängige Wissenschaft und die Ankündigung eines „Expertenrats“, der die Regierungen – natürlich ebenfalls vollkommen unabhängig – hinsichtlich etwaiger Maßnahmen beraten soll.

Dazu diese Parallelität der Ereignisse: Wie gerufen veröffentlichte das „Ärzteblatt“ ebenfalls am Mittwoch einen Artikel mit der Überschrift „Durch Wetterextreme starben seit 1980 fast 195.000 Menschen in Europa“. Die als Expertin der EAA (Europäische Umweltbehörde) vorgestellte Aleksandra Kazmierczak lässt sich dabei wie folgt zitieren: „Um weitere Verluste zu vermeiden, müssen wir dringend von der Reaktion auf Extremwettereignisse übergehen zu einer proaktiven Vorbereitung.“

Ein besseres Timing hätte es für die Veröffentlichung eines solchen Artikels wohl kaum geben können. Auf die Medien scheint aus Sicht der Protagonisten auch in diesem Fall wieder Verlass zu sein.

Lauterbachs Visionen werden Wirklichkeit

Vieles spricht indes dafür, dass es sich bei den Aussagen von Dr. Herrmann tatsächlich um eine als „Forderungen“ getarnte Verkündigung von Lauterbachs Plänen handelt. Diese sind nämlich alles andere als neu und wurden im Frühjahr 2021 – damals sogar noch unverblümter als heute – zum Ausdruck gebracht.

Im Februar 2021 wurde der damalige SPD-Bundestagsabgeordnete und heutige Bundesgesundheitsminister von phoenix-Talker Alfred Schier mit eigenen Aussagen konfrontiert, wonach zur Bewältigung des Klimawandels Maßnahmen notwendig werden könnten, „die analog zu den Einschränkungen der persönlichen Freiheit in der Pandemie-Bekämpfung“ seien.

Lauterbach dazu im Wortlaut: „Also ich kann ja jetzt beispielsweise weniger reisen, weil also die Reisebegrenzungen notwendig sind, damit wir nicht das Virus von einer Region, wo hohe Prävalenz ist, in eine andere Region übertragen. Ich muss auf viele Dinge verzichten – ähm – die ich gerne machen würde, weil es schädlich wäre für die öffentliche Gesundheit. […] Ich glaube, dass wir bestimmte Beschränkungen akzeptieren müssen, wollen wir den Klimawandel beherrschen. Dazu wird zum Beispiel gehören, dass wir nicht also so viel reisen, wie jeder reisen könnte. […] Ich würde es übrigens auch noch nicht einmal für ausgeschlossen halten, dass wir in der Klimakrise in eine Situation kommen, wo wir das ein oder andere tatsächlich sogar verbieten müssen.“

 

Schier hielt seinem Gesprächsgast daraufhin vor, dass das doch genau das sei, wovor Kritiker der Corona-Maßnahmen warnten – dass die Einschränkungen während der Corona-Pandemie als Blaupause für eine „Klima-Diktatur“ dienten. Trotz seiner unmittelbar zuvor sehr unmissverständlich getroffenen Aussagen wischte Lauterbach diesen Einwand lapidar vom Tisch: „Ja, aber das sind doch Verschwörungstheorien!“

Merke: Auch sogenannte „Verschwörungstheorien“ können wahr werden – in nicht wenigen Fällen sogar deutlich schneller und deutlich umfassender, als manch einem lieb sein kann!

Bild: Shutterstock

https://reitschuster.de/post/lauterbach-decodiert-klima-lockdown-heisst-jetzt-hitzeschutzplan/

 

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