Aufgebracht und doch fasziniert blicken wir auf eine bahnbrechende Methode, die Tote in wertvollen Humus verwandelt – eine Praxis, die sowohl Stirnrunzeln als auch Begeisterung hervorruft. In Schleswig-Holstein machte man 2022 Schlagzeilen, als dort die erste „Reerdigung“ stattfand. Ein Verfahren, das Verstorbene in einen Kompostprozess einbezieht, könnte die Art und Weise, wie wir über den Tod und die letzte Ruhestätte nachdenken, radikal verändern.

Das Herzstück dieser umweltbewussten Bestattungsmethode ist der „Kokon“, eine Hülle aus recyceltem Kunststoff, gefüllt mit Heu, Stroh und Pflanzenkohle, die den Körper umschließt und ihn der natürlichen Zersetzung durch Mikroorganismen aussetzt. Innerhalb von vierzig Tagen wird der Körper so in nahrhaften Boden umgewandelt, während Knochenreste zermahlen und dem Gemisch beigefügt werden. Das Ergebnis ist ein fruchtbarer Humus, ein Geschenk des Verstorbenen an die Erde.

„Meine Erde“, der Pionier hinter dieser Technik, bewirbt die „Reerdigung“ nicht nur als Tribut an den Zyklus des Lebens, sondern auch als eine energie- und kostensparende Alternative zu traditionellen Bestattungsmethoden. Angesichts der hohen Energiekosten, die mit der Feuerbestattung einhergehen, nicht zu sprechen von den damit verbundenen CO₂-Emissionen, positioniert sich diese neue Praxis als Antwort auf drängende Umweltfragen.

Trotz des innovativen Ansatzes stößt die Idee, Verstorbene zu kompostieren, auf Widerstand. Das Innenministerium Brandenburgs kritisierte das Verfahren als pietätlos, ein Vorwurf, der die Befürworter der „Reerdigung“ verständlicherweise empört. Sie sehen in dieser Methode eine Möglichkeit, im Tod dem Planeten etwas zurückzugeben und plädieren für eine breitere Akzeptanz dieser umweltfreundlichen Bestattungsform.

Die Debatte um die „Reerdigung“ wirft grundlegende Fragen auf: Wie wollen wir uns an unsere Verstorbenen erinnern? Sind wir bereit, Traditionen für den Umweltschutz neu zu denken? Während die Reerdigung in Deutschland noch in den Kinderschuhen steckt, mit nur wenigen Orten, die diesen Service anbieten, könnte sie einen Wendepunkt in der Bestattungskultur markieren.

Die Reaktionen auf diese neue Praxis sind gemischt. Während einige die „Reerdigung“ als makabren Trend ablehnen, sehen andere darin einen liebevollen und letzten Dienst an der Erde. Die Diskussion um diese Bestattungsform ist nicht nur eine Auseinandersetzung über den Tod, sondern auch über unsere Verantwortung gegenüber der Umwelt. Es ist ein Thema, das uns alle angeht, und es lohnt sich, darüber nachzudenken, welchen Fußabdruck wir hinterlassen möchten.

Verwesung als Vision? Kritik an Kiels Bestattungsrevolution

Der Kieler Landtag spielt mit dem Gedanken, die Leichenkompostierung avantgardistische Bestattungsform weiter zu erforschen, trotz starker Bedenken aus verschiedenen Ecken.

Ein renommierter Rechtsprofessor, bekannt für seine Expertise im Friedhofs- und Bestattungsrecht, hat kein Blatt vor den Mund genommen. Die angestrebte Legalisierung der Leichenkompostierung bezeichnete er als „komplett irre“. Seine Kritik fußt auf „zahlreichen naturwissenschaftlichen und medizinischen Bedenken“, die er vor allem in Hinblick auf die biologische Sicherheit des Verwesungsprozesses anführt. Seine Worte zeichnen ein Bild der Ungewissheit und potenzieller Risiken, die mit dieser Methode einhergehen könnten.

Zusätzlich legte das Gesundheitsministerium von Nordrhein-Westfalen im Juni 2023 eine Einschätzung vor, die Wasser auf die Mühlen der Kritiker gießt. Sie unterstreicht, dass nicht zweifelsfrei belegt werden konnte, ob Gesundheitsgefahren für die Bevölkerung durch die Reerdigung ausgeschlossen werden können. Die Bedeutung der ungestörten Totenruhe, ein Grundpfeiler unseres Bestattungsrechts, scheint in diesem Konzept auf der Strecke zu bleiben. Insbesondere das Detail, dass der „Kokon“ regelmäßig gewendet werden muss, um die Flüssigkeit gleichmäßig zu verteilen, lässt Zweifel an der Würde dieses Verfahrens aufkommen.

Die Situation spitzt sich zu, als bekannt wird, dass die Genehmigung des Projekts in Mölln auf dem Gutachten eines Juristen basiert. Pikantes Detail: Der Gutachter ist der Ehemann des Geschäftsführers der „Stiftung Reerdigung“, einer Tochter von „Meine Erde“. Dass der Geschäftsführer von „Meine Erde“ keinen Interessenkonflikt in dieser Konstellation sieht, wirft Fragen auf. Kritiker sehen hierin eine bedenkliche Verquickung von persönlichen und beruflichen Interessen, die das Projekt in einem zweifelhaften Licht erscheinen lässt.

Brandenburgs grüner Vorstoß sorgt für Empörung

Der grüne Abgeordnete Heiner Klemp, bekannt für seine unkonventionellen Ideen, forderte jüngst Aufklärung vom Brandenburger Innenministerium über die Möglichkeit, verstorbene Menschen kompostieren zu lassen. Seine Hoffnung auf eine offene Diskussion über diese alternative Bestattungsmethode wurde jedoch jäh enttäuscht.

Das Innenministerium machte kurzen Prozess mit Klemps Anfrage. Ihre Antwort war ein Schlag ins Gesicht derer, die nachhaltige Alternativen im Umgang mit dem Tod suchen. Sie erklärten, dass das wiederholte Umwälzen der Überreste eines Verstorbenen in keiner Weise einer respektvollen Behandlung der Toten gleichkomme. Mehr noch, das Ministerium betonte, dass ein solches „Schnellkompostierverfahren“ die Würde des Verstorbenen untergräbt – eine klare Absage an die Vorstellung, diese Methode als legitime Bestattungsform zu etablieren.

Doch Klemp lässt sich von solchen Rückschlägen nicht beirren. Er argumentiert, dass die Kompostierung von Toten nicht notwendigerweise pietätlos sein muss. Seine Forderung nach „Technologieoffenheit“ in diesem Bereich spiegelt eine größere Debatte wider, die über den Tellerrand hinausgeht. Es wirft ein Schlaglicht auf die Diskrepanz zwischen den Ambitionen der Grünen, traditionelle Praktiken zu überdenken, und der konservativen Haltung anderer Parteien und Institutionen.

Andere politische Kräfte in Brandenburg, wie die AfD, stehen dem Vorschlag äußerst kritisch gegenüber. Ihr Fraktionschef, Hans-Christoph Berndt, brachte es prägnant auf den Punkt: „Unsere Toten sind keine Biomasse.“ Ein Satz, der wohl vielen aus dem Herzen spricht und die tiefe Spaltung in der Gesellschaft zu diesem Thema unterstreicht.

Diese Debatte ist mehr als eine Auseinandersetzung über Bestattungsmethoden; sie ist ein Kampf um Werte, Traditionen und die Zukunft unserer Umwelt. Während die einen in der Kompostierung einen Schritt hin zu einer nachhaltigeren Gesellschaft sehen, fürchten andere den Verlust von Würde und Respekt gegenüber den Verstorbenen. Wo die Balance zwischen Fortschritt und Pietät liegt, ist eine Frage, die uns noch lange beschäftigen wird. Es bleibt abzuwarten, ob Brandenburgs Politik und Gesellschaft einen gemeinsamen Weg finden, um sowohl der Umwelt als auch dem Andenken an unsere Liebsten gerecht zu werden.

Renner, V. (2024d, März 6). Grüne ärgern sich über fehlende „Technologieoffenheit“: Sie wollen Leichen kompostieren. Report24. https://report24.news/gruene-aergern-sich-ueber-fehlende-technologieoffenheit-sie-wollen-leichen-kompostieren/

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