Singen Autohersteller das hohe Lied des Elektroautos nur, weil sie andernfalls den Abfall an der Börse fürchten müssten? Professor Fritz Indra glaubt jedenfalls: Der Verbrennungsmotor ist keineswegs am Aussterben. Denn die meisten Autobauer hätten bereits einen „Plan B“.
Fast alle Autohersteller setzen künftig nur noch aufs Elektroauto, vor allem in der EU. Tesla feiert einen Erfolg nach dem anderen, die Chinesen wollen die Amerikaner beim E-Mobil am liebsten überholen. Die EU verbietet Verbrenner ab 2035, andere Länder der Welt haben ähnliche Pläne. Doch es mehren sich auch andere Nachrichten: VW muss die Produktion seiner Stromer offenbar wegen schwacher Nachfrage drosseln . In China gingen Luftaufnahmen von zig tausenden E-Autos des Herstellers BYD viral, die offenbar unverkauft auf Parkplätzen herumstehen. Hersteller wie BMW oder Toyota halten unverändert daran fest, dass sie zwar ihre Elektro-Palette massiv ausbauen, aber sehr wohl auch künftig mit neuen Verbrennern planen, unter anderem mit klimafreundlichen Kraftstoffen (E-Fuels).
VW hat Probleme beim Elektro-Absatz
Ist der Abgesang auf den Benzinmotor also verfrüht? Unser Autor spricht dazu mit Professor Fritz Indra, der vor seine Pensionierung unter anderem bei Audi, Alpina und General Motors führende Positionen in der Entwicklung innehatte und heute als Berater arbeitet. Indra gilt als einer der schärfsten Kritiker der aktuellen „Elektro Only“-Strategie der meisten Autohersteller.
FOCUS online: Professor Indra, Sie waren vor ein paar Wochen beim Wiener Motorensymposium, und zwar dem ersten nach dem von der EU angekündigten Verbrennerverbot. Herrschte dort Untergangsstimmung?
Fritz Indra: Im Gegenteil. Tatsächlich war das Symposium ein großer Erfolg: Volles Haus, gute Stimmung und zum ersten Mal nicht nur zwei, sondern drei Sektionen mit Parallelvorträgen, weil es so viele Einreichungen gab wie nie zuvor. Das Interesse ist also erstaunlich groß, wobei es viele Meinungen gibt, die aufeinanderprallen. Volkswagen und Mercedes-Benz sprechen zum Beispiel nur über die E-Mobilität. Ich bin mir allerdings sicher: Die Vorstände haben einen Plan B, auch dort.
Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?
Fritz Indra: Durch den Blick hinter die Kulissen. So hat ein VW-Ingenieur wenige Wochen vor dem Motorensymposium in kleinerem Kreis den neuen 1,5-Liter-TFSI-Evo-2 vorgestellt, einen eindrucksvollen Verbrennungsmotor. Und auf der letzten Folie des Mercedes-Vortrags in Wien wurde eine neue Plattform angekündigt, und zwar mit der Information: Die ist offen für alle Antriebsarten. Insider wissen, dass in dieser Plattform ganz neue Verbrennungsmotoren verbaut werden, die derzeit von Geely entwickelt werden, mit einer Verdichtung von 16:1, Raumzündung, Miller-Cycle-Verfahren und hervorragenden Wirkungsgraden von bis zu 47 Prozent.
Neue Verbrenner mit 47 Prozent Wirkungsgrad
Warum wird so etwas nicht offensiver kommuniziert?
Fritz Indra: Die Industrie kann im Moment nicht offen sprechen. Denn neben dem politischen Druck sind auch die Börsen noch überzeugt vom Elektroauto. Und wenn ein Hersteller sich eindeutig zum Verbrenner bekennt, fallen die Aktienkurse – jedenfalls im Moment noch. Viel wichtiger finde ich allerdings, dass zum Beispiel bei VW nach meinen Erkenntnissen weiterhin 2300 Mitarbeiter am Verbrenner arbeiten.
Unter anderem an Motoren für die neue Abgasnorm Euro 7, die für einigen Ärger sorgt. Wie ist der Diskussionsstand?
Fritz Indra: Noch ist diese Norm nicht exakt definiert, aber es läuft darauf hinaus, dass die Katalysatoren vorgeheizt werden müssen, um die vorgegebenen Extremszenarien abzudecken. In Wirklichkeit ist der Effekt von Euro 7 minimal und es geht der EU offenbar darum, den Verbrenner zu verteuern und schlecht aussehen zu lassen.
„EU geht es offenbar darum, Verbrenner zu verteuern“
Das für Euro 7 eingesetzte Geld steht in keiner Relation zum Erreichten. Aber selbst dieser Versuch wird fehlschlagen. Die Vorträge, unter anderem von Emitec, stimmen mich sehr optimistisch, dass auch dieses Thema lösbar ist.
Soviel Aufwand für die letzte Generation der Verbrenner?
Fritz Indra: Sicher nicht, denn die Wunschvorstellungen der Politik werden auf keinen Fall zu halten sein. Schon deshalb, weil die Kunden nicht mitziehen werden. Wenn der Verbrenner tatsächlich verboten wird, kaufen sich die Leute vorher noch ein Auto und fahren es 10, 20 Jahre lang. Dann wäre das Geld in die Produktionsanlagen umsonst investiert und wir laufen in eine wirtschaftliche Katastrophe. Ich bin überzeugt, dass das Verbot kippen wird.
Obwohl die EU so viel politisches Kapital in dieses Thema gesteckt hat?
Fritz Indra: Dazu nur so viel: 2024 finden Europawahlen statt, und dann wird EU-Kommissar Timmermans, der Haupttreiber des Verbrennerverbots, hoffentlich seinen Posten verlieren. Und 2026 soll die Planung ohnehin einer Revision unterzogen werden. Dann werden sich die hohen Herren zusammensetzen, und spätestens dann wird das geplante Verbot fallen. Die Schuld wird man dann dem Kunden zuschieben. Ich glaube, es wird langfristig zu einem 85:15-Split kommen – zugunsten des Verbrenners.
„Bin überzeugt, dass das Verbrenner-Verbot kippen wird“
Das wären immerhin 15 Prozent Elektroautos. Gibt es dort Fortschritte?
Fritz Indra: Die Motoren sind im Wirkungsgrad perfekt, da lässt sich nicht mehr viel machen, man kann sie sicher noch ein bisschen kleiner bauen. Bei den Batterien führt nach Ansicht der Experten für die nächsten 10 Jahre an Lithium-Ionen nichts vorbei. Die Rohstoffe dafür kommen weitgehend aus China, eine Zellfertigung bei uns ergibt deshalb überhaupt einen Sinn.
Elon Musk hat übrigens eine interessante Innovation angekündigt: Die Batterie soll nicht mehr in einem Kasten sitzen, sondern Bestandteil des Autos sein, eingeklebt oder fest verbaut. Damit lässt sich das Gewicht senken, denn Elektroautos sind ja viel zu schwer, die Recycling-Fähigkeit verschwindet aber endgültig. Diese Autos kann man dann nur noch schreddern.
Wo steht eigentlich die Diskussion zum Wasserstoff-Auto?
Fritz Indra: Hier gibt es durchaus Bewegung, vor allem im Lkw-Bereich, wo Wasserstoff viel besser funktioniert als der Elektroantrieb. Neben der Brennstoffzelle wird auch wieder am Wasserstoff-Verbrennungsmotor gearbeitet. Das große Problem ist und bleibt das Tanksystem. Ich prophezeie: Beim Pkw wird das im großen Maßstab nie funktionieren, weil man nicht ausreichend Wasserstoff kurzfristig zur Verfügung stellen kann.
Ist die Öffnung für E-Fuels ein „Game changer“ und hat dieses Thema in Wien eine Rolle gespielt?
Fritz Indra: Das war ein großes Thema. Sie wissen, dass ein komplett mit E-Fuels betriebenes Fahrzeug mit Verbrennungsmotor völlig CO2-neutral unterwegs ist. Manche kritisieren, dass diese Kraftstoffe zu teuer seien. Aber wegen der Energiepreise in der EU kommt eine Produktion hier ohnehin nicht infrage. Die entsprechenden Anlagen werden in Afrika, im Nahen Osten und in Südamerika gebaut, und dann landen wir bei Literpreisen von einem Euro. In einer pragmatischen Herangehensweise würde man dabei auf zunehmende Beimischungen setzen. An den Motoren muss dafür praktisch nichts geändert werden.
Das Interview führte Jens Meiners
Bildquelle:
Auto-Medienportal.Net/Daniel Reinhard
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